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(Frage) beantwortet | Datum: | 17:51 Do 16.07.2009 | Autor: | der_puma |
Der hessische Gesetzgeber erlässt ein Hessisches Versammlungsgesetz (HessVersG), das u.a. folgende Regelungen enthält:
Abschnitt I - Versammlungen unter freiem Himmel
Art. 4 (1) Die Anmeldung einer Versammlung muss Ort, Zeit, Thema sowie den Namen des Veranstalters enthalten.
(2) Ausnahmen von Abs. 1 sind unzulässig. Spontane Versammlungen sind verboten und sofort aufzulösen.
(…)
Art. 8 Die Polizei darf Videoaufnahmen von der Versammlung und dem Umfeld zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes machen. Solche Videoaufnahmen dürfen auch zur Auswertung des polizeitaktischen Vorgehens gefertigt werden, sofern dies erforderlich ist.
(…)
Art. 10 Sofern durch die Versammlung eine über das übliche Maß hinausgehende Verschmutzung verursacht wird, hat der Veranstalter die Kosten der Müllentsorgung zu tragen.
(…)
Art.19
(1) Zuwiderhandlungen gegen die Verpflichtung aus Art. 4 Abs. 1 werden mit einem Geldbuße in Höhe von 5.000 Euro geahndet. (…)
Abschnitt II - Versammlungen in geschlossenen Räumen
Art. 30 (1) Eine Versammlung kann verboten werden, wenn … Umstände festgestellt werden, aus denen hervorgeht, dass der Veranstalter oder sein Anhang einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf der Versammlung gezielt anstrebt.
(…)
Der hessische Landesverband der Gewerkschaft (G) sieht sich durch die genannten Regelungen des neuen Gesetzes in seinen Grundrechten verletzt und möchte das Bundesverfassungsgericht anrufen. Auch die kleine Bürgerbewegung „Direkte Demokratie wagen“ e.V. (D) sieht sich in ihren Grundrechten verletzt. Ihre außerparlamentarische Opposition gründet sich insbesondere auf Versammlungen, die z.T auch einen kleineren Rahmen haben. Sie sieht durch das Gesetz ihre Existenz, auch wegen potentieller finanzieller Belastung durch Pauschalgeldbußen, gefährdet.
Sind die betroffenenen tatsächlich in ihren Grundrechten verletzt?
hallo,
man hat hier sicher probleme mit der grundrechtsfähigkeit , da es um juristische personen geht...aber welche grundrechte haltet ihr für diskussionswürdig? art 4 und art 19 betreffen die versammlungsfreiheit, aber was ist mir art 8 und 10 ? art 8 würde ich mitunter unter dem gesichtspunkt des grundrechts auf informationelle selbstbestimmung prüfen oder tangiert die polizeiliche überwachung auch die versammlungsfreiheit?
gruß
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(Antwort) fertig | Datum: | 16:23 Fr 17.07.2009 | Autor: | Josef |
> Der hessische Gesetzgeber erlässt ein Hessisches
> Versammlungsgesetz (HessVersG), das u.a. folgende
> Regelungen enthält:
>
> Abschnitt I - Versammlungen unter freiem Himmel
> Art. 4 (1) Die Anmeldung einer Versammlung muss Ort, Zeit,
> Thema sowie den Namen des Veranstalters enthalten.
Es leuchtet ein, dass von Versammlungen in geschlossenen Räumen kaum Gefahren für die Öffentlichkeit ausgehen. Anders ist es bei Versammlungen unter freien Himmel, die den öffentlichen Frieden stören können. Art. 8 Abs. 2 GG hat daher für Veranstaltungen unter freiem Himmel einen Gesetzesvorbehalt vorgesehen. Ein wichtiges Gesetz, das die Versammlungsfreiheit einschränkt, ist das Versammlungsgesetz. §§ 14, 15 Versammlungsgesetz sehen vor: Anmeldepflicht, Auflagen, Verbot und Auflösung bei unmittelbarer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.
> (2) Ausnahmen von Abs. 1 sind unzulässig. Spontane
> Versammlungen sind verboten und sofort aufzulösen.
> (…)
§ 14 Versammlungsgesetz, das die Anmeldung solcher Versammlungen fordert, hindert nach richtiger Auffassung sog. Spontanversammlungen nicht, d.h. solche Versammlungen, die aus aktuellem Anlass stattfinden und deshalb nicht rechtzeitig angemeldet werden könne.
> Art. 8 Die Polizei darf Videoaufnahmen von der Versammlung
> und dem Umfeld zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes
> machen. Solche Videoaufnahmen dürfen auch zur Auswertung
> des polizeitaktischen Vorgehens gefertigt werden, sofern
> dies erforderlich ist.
> (…)
> Art. 10 Sofern durch die Versammlung eine über das
> übliche Maß hinausgehende Verschmutzung verursacht wird,
> hat der Veranstalter die Kosten der Müllentsorgung zu
> tragen.
> (…)
> Art.19
> (1) Zuwiderhandlungen gegen die Verpflichtung aus Art. 4
> Abs. 1 werden mit einem Geldbuße in Höhe von 5.000 Euro
> geahndet. (…)
>
> Abschnitt II - Versammlungen in geschlossenen Räumen
> Art. 30 (1) Eine Versammlung kann verboten werden, wenn
> … Umstände festgestellt werden, aus denen hervorgeht,
> dass der Veranstalter oder sein Anhang einen gewalttätigen
> oder aufrührerischen Verlauf der Versammlung gezielt
> anstrebt.
> (…)
Versammlungen in geschlossenen Räumen unterliegen lediglich verfassungsimmanenten Schranken. Sie dürfen von keiner behördlichen Anmeldung oder Überwachung abhängig gemacht werden. Die Verbots- und Auflösungsgründe für Versammlungen in geschlossenen Räumen in den §§ 5 und 13 Versammlungsgesetz sind ohne Gesetzesvorbehalt in Art. 8 Abs. 1 GG zulässig, da sie lediglich den tatbestandsmäßigen Schutzbereich des Grundrechts ausgestalten und keine eigentlichen Grundrechtsschranken darstellen.
Eine Versammlung in geschlossenen Räumen kann z.B. verboten werden, wenn
- Lebens- oder Gesundheitsgefahr besteht (Art. 2 Abs. 2 GG als verfassungsimmanente Schranke).
- bewaffneten Teilnehmern Zutritt gewährt wird (Art. 5 Nr. 2 Versammlungsgesetz als Ausgestaltung des Tatbestandsmerkmals „ohne Waffen“).
> Der hessische Landesverband der Gewerkschaft (G) sieht
> sich durch die genannten Regelungen des neuen Gesetzes in
> seinen Grundrechten verletzt und möchte das
> Bundesverfassungsgericht anrufen. Auch die kleine
> Bürgerbewegung „Direkte Demokratie wagen“ e.V. (D)
> sieht sich in ihren Grundrechten verletzt. Ihre
> außerparlamentarische Opposition gründet sich
> insbesondere auf Versammlungen, die z.T auch einen
> kleineren Rahmen haben. Sie sieht durch das Gesetz ihre
> Existenz, auch wegen potentieller finanzieller Belastung
> durch Pauschalgeldbußen, gefährdet.
>
> Sind die betroffenenen tatsächlich in ihren Grundrechten
> verletzt?
>
>
>
> hallo,
>
> man hat hier sicher probleme mit der grundrechtsfähigkeit
> , da es um juristische personen geht...aber welche
> grundrechte haltet ihr für diskussionswürdig? art 4 und
> art 19 betreffen die versammlungsfreiheit, aber was ist mir
> art 8 und 10 ? art 8 würde ich mitunter unter dem
> gesichtspunkt des grundrechts auf informationelle
> selbstbestimmung prüfen oder tangiert die polizeiliche
> überwachung auch die versammlungsfreiheit?
>
> gruß
Das VersammlungsG steht offensichtlich in einem Widerspruch zu Art. 8 Abs. 1 GG. Die verfassungskonforme Auslegung nachrangiger Rechtsvorschriften ist zu beachten. Art. 20 Abs. 3 GG bestimmt, dass alles dem GG nachrangige Recht, hier das VersammlunG, so auszulegen ist, dass das vorrangige GG mit seinen Grundrechten und Verfassungsprinzipien zur Geltung kommen kann (Vorrang des Gesetzes). Eine formal nach dem VersammlG vorgesehene Grundrechtsbeschränkung muss im Lichte des Grundrechts betrachtet werden. Es findet insoweit eine Wechselwirkung statt zwischen der Vorschrift, die die Einschränkung des Grundrechts generell zulässt und dem konkret zu schützenden Grundrecht selbst.
Viele Grüße
Josef
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ok...
aber wie gehe ich nun in diesem kontext mit der überwachung durch die polizei und die pflicht den abfall beseitigen zu müssen ? bring ich das auch in die prüfung der versammlungsfreiheit unter ( wenn ja wie ?) oder tangiert das auch andere grundrechte? ( zb recht auf informationelle selbstbestimmung)???
gruß
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 18:20 Di 21.07.2009 | Autor: | matux |
$MATUXTEXT(ueberfaellige_frage)
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(Frage) beantwortet | Datum: | 10:51 Fr 31.07.2009 | Autor: | der_puma |
hallo,
nochmal zwei kurze fragen, die mir aufgekommen sind....
sind gewerkschaften juristische personen des öffentlichen oder des privaten rechts?
was sagt ihr zur beschwerdebefignis der gewerkschaft? man muss ja substantiiert behaupten können in eigenen grundrechten gegenwärtig und unmittel betroffen zu sein....die gewerkschaft sagt aber im gegebensatz zur bürgerbewegung gar nix ....müsste man da die beschwerdebefugnis verneinen??
gruß
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 16:06 Fr 31.07.2009 | Autor: | Josef |
>
> sind gewerkschaften juristische personen des öffentlichen
> oder des privaten rechts?
>
Gewerkschaften sind in der Regel immer nichtrechtsfähige Vereine im Sinne von § 54 BGB (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl. 2002, Einf. vor § 21 RdNr. 16,22 und § 54 RdNr. 5).
Ein nichtrechtsfähiger Verein ist, wie schon der Name sagt, keine juristische Person.
Viele Grüße
Josef
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(Antwort) fertig | Datum: | 17:11 Fr 31.07.2009 | Autor: | Josef |
>
> sind gewerkschaften juristische personen des öffentlichen
> oder des privaten rechts?
>
> was sagt ihr zur beschwerdebefignis der gewerkschaft? man
> muss ja substantiiert behaupten können in eigenen
> grundrechten gegenwärtig und unmittel betroffen zu
> sein..
> ..die gewerkschaft sagt aber im gegebensatz zur
> bürgerbewegung gar nix ....müsste man da die
> beschwerdebefugnis verneinen??
>
Von den natürlichen und juristischen Personen, die jeweils die Rechtsfähigkeit besitzen, sind die nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen des Privatrechts zu unterscheiden. Dazu gehören die nichtrechtsfähigen Vereine (z.B. die Gewerkschaften) und die Personengesellschaften (z.B. GbR, OHG, EK, GmbH & Co. KG). Die Grundrechtsfähigkeit nichtrechsfähiger Personenvereinigungen wird von der Verfassungsrechtsprechung ebenfalls im Rahmen des Art. 19 Abs. 3 GG bejaht.
Quelle: Staats- und Verfassungsrecht, efv-Verlag
Viele Grüße
Josef
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