Wahrscheinlichkeit 0 < Wahrscheinlichkeitstheorie < Stochastik < Hochschule < Mathe < Vorhilfe
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(Frage) beantwortet | Datum: | 18:18 Mo 11.08.2014 | Autor: | Tenori |
Hey,
also ich habe herausgefunden, dass wenn ein Ereignis die Wahrscheinlichkeit 0 besitzt, es im diskreten Fall wirklich unmöglich ist, dass dieses Ereignis eintritt. Im allgemeinen Fall nicht, da es dafür Gegenbeispiele gibt(Zahl aus [0,1] zufällig auswählen z.B.).
Was ich mich nun frage ist, wieso ist dies so, dass es im diskreten Fall genau das bedeutet?
Aus den Axiomen kann man sich das ja nicht herleiten, dass ist ja irgendwie eine Interpretation der Werte. Ist das einfach Konvention, da man im diskreten Fall kein Gegenbeispiel findet, so wie im allgemeinen Fall?
PS: Ich habe diese Frage in keinem Forum auf anderen Internetseiten gestellt.
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> Hey,
> also ich habe herausgefunden, dass wenn ein Ereignis die
> Wahrscheinlichkeit 0 besitzt, es im diskreten Fall wirklich
> unmöglich ist, dass dieses Ereignis eintritt. Im
> allgemeinen Fall nicht, da es dafür Gegenbeispiele
> gibt(Zahl aus [0,1] zufällig auswählen z.B.).
> Was ich mich nun frage ist, wieso ist dies so, dass es im
> diskreten Fall genau das bedeutet?
> Aus den Axiomen kann man sich das ja nicht herleiten, dass
> ist ja irgendwie eine Interpretation der Werte. Ist das
> einfach Konvention, da man im diskreten Fall kein
> Gegenbeispiel findet, so wie im allgemeinen Fall?
Hallo Tenori,
im "diskreten Fall" hat man es mit endlich vielen Elementar-
ereignissen zu tun. Ist die Wahrscheinlichkeit eines solchen
Elementarereignisses gleich 0, so ist es wirklich unmöglich.
Da wir es aber z.B. bei den Mengen [mm] \IQ [/mm] und [mm] \IR [/mm] mit Mengen
von (abzählbarer oder überabzählbarer) unendlicher Mächtig-
keit zu tun haben, kann man da einem einzelnen, ganz
punktuell betrachteten Ereignis (z.B. " x = 0.5 " oder " x = [mm] \pi [/mm] ")
keine positive Wahrscheinlichkeit zuordnen, wenn man z.B.
am Prinzip einer Gleichverteilung festhalten will. Sinnvoller-
weise kann man dann nur Intervallen ihre Wahrscheinlichkeiten
zuordnen. Die dafür zuständige mathematische Theorie ist
die "Maßtheorie".
In praktischen Zusammenhängen hat man es allerdings
nie wirklich mit Situationen zu tun, in denen für eine zu
betrachtende Größe tatsächlich alle reellen Werte
eines Intervalls in Frage kommen. Dies scheitert in der
Regel schon an Messproblemen (Unmöglichkeit einer
absolut exakten Messung).
LG , Al-Chw.
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Auch im diskreten Fall bedeutet Wahrscheinlichkeit 0 nicht unmögliches Ereignis. Man wähle [mm]\Omega = \{ 1,2,3 \}[/mm] und lege das Wahrscheinlichkeitsmaß [mm]P[/mm] auf den Elementarereignissen folgendermaßen fest:
[mm]P \left( \{ 1 \} \right) = 0{,}2 \, ; \ \ P \left( \{ 2 \} \right) = 0{,}8 \, ; \ \ P \left( \{ 3 \} \right) = 0[/mm]
Durch Fortsetzung auf die Potenzmenge von [mm]\Omega[/mm] erhält man einen Wahrscheinlichkeitsraum, der allen Anforderungen gemäß den Axiomen genügt. Aus [mm]P(A) = 0[/mm] folgt hier nicht [mm]A = \emptyset[/mm].
Zugegeben, das Beispiel ist arg gewollt. Nichtsdestotrotz - es ist ein Beispiel.
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"arg gewollt"
nicht nur arg, sondern arrrgh .....
Wenn aber doch P({A})=0 , so ist doch offenbar das zugehörige
Ereignis {A} als eines von 3 Elementarereignissen, von
denen die anderen beiden die Wahrscheinlichkeiten 0.2 und
0.8 haben, effektiv unmöglich, obwohl es in der Liste der
"Ereignisse" aufgezählt ist. Nur dadurch, dass ich einem un-
möglichen "Ereignis" eine Bezeichnung zuteile, mache ich es
doch nicht von etwas Unmöglichem zu einer echten möglichen
Variante ...
LG , Al-Chw.
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Immerhin zeigt das Beispiel, daß es vergebliche Mühe wäre, wollte man versuchen, den Satz
Bei einem diskreten Wahrscheinlichkeitsmaß [mm]P[/mm] folgt aus [mm]P(A)=0[/mm] stets [mm]A=\emptyset[/mm].
zu beweisen.
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> Immerhin zeigt das Beispiel, daß es vergebliche Mühe
> wäre, wollte man versuchen, den Satz
>
> Bei einem diskreten Wahrscheinlichkeitsmaß [mm]P[/mm] folgt aus
> [mm]P(A)=0[/mm] stets [mm]A=\emptyset[/mm].
>
> zu beweisen.
Naja, Kunststück, wenn man auch effektiv unmögliche Ereignisse in die Liste der Ereignisse aufnimmt ...
LG , Al
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Betrachten wir einmal das folgende Beispiel.
Wir nehmen auf [mm]\Omega = [0,6][/mm] die Gleichverteilung und definieren die Zufallsgröße [mm]X[/mm] durch
[mm]X(\omega) = 1 + \lfloor \omega \rfloor \, , \ \ \omega \in \Omega[/mm]
Durch [mm]X[/mm] wird das Würfeln mit einem fairen Würfel modelliert. Die Werte von [mm]X[/mm] sind 1,2,3,4,5,6,7 mit
[mm]P(X=1) = P(X=2) = \ldots = P(X=6) = \frac{1}{6} \, , \ \ P(X=7) = 0[/mm]
Gewissensfrage: Ist jetzt [mm]X=7[/mm] "unmöglich"?
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Erkläre mir den (ganz praktischen) Unterschied zwischen
einer Gleichverteilung auf [0,6] und einer Gleichverteilung
auf [0,6) !
(natürlich nur, falls es einen solchen geben sollte ...)
Ich fühle mich durch deine Frage irgendwie an die
scholastische Frage erinnert, der Morgenstern eines
seiner Gedichte gewidmet hat:
Wieviel Engel sitzen können
auf der Spitze einer Nadel –
wolle dem dein Denken gönnen,
Leser sonder Furcht und Tadel!
»Alle!« wirds dein Hirn durchblitzen.
»Denn die Engel sind doch Geister!
Und ein ob auch noch so feister
Geist bedarf schier nichts zum Sitzen.«
Ich hingegen stell den Satz auf:
Keiner! – Denn die nie Erspähten
können einzig nehmen Platz auf
geistlichen Lokalitäten.
Good Night !
Al
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Nachtrag zu deiner Ergänzung:
Auch bei einer stetigen Verteilung ist ja [mm]\{ x \}[/mm] nicht unmöglich, obwohl [mm]P(\{ x \}) = 0[/mm] ist.
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> Auch bei einer stetigen Verteilung ist ja [mm]\{ x \}[/mm] nicht
> unmöglich, obwohl [mm]P(\{ x \}) = 0[/mm] ist.
Mir ist schon bewusst, dass da ein gewisser Konflikt
weiter schwelt, den man im Grunde genommen bis zu
Zenon von Elea zurückverfolgen kann und der bei der
Grundlegung der Infinitesimalrechnung und bei der
(gedanklichen) "Schöpfung" der Menge der reellen
Zahlen eine wichtige Rolle spielte und auch bis
heute vermutlich nicht einfach als "gelöst" betrachtet
werden kann. Sogar die Grundlagenphysiker, die den
Graben zwischen Quantenphysik und "Kontinuumsphysik"
in der Nachfolge Einsteins bisher nicht zuschütten
konnten und nur mit ein paar provisorischen und
unsicheren Brücken überquerbar gemacht haben,
nagen wohl immer im Grunde noch an denselben Problemen ...
Vielleicht muss man sich an den Gedanken gewöhnen,
dass abstrakte Konzepte wie der "mathematische
Punkt" und Mengen und Strukturen wie etwa die
der reellen Zahlen zwar für abstrakte Zwecke in der
Mathematik und ihrer Umgebung sehr wertvoll und
nutzbringend sind, dass aber bei der Übertragung der
daraus gewonnenen Erkenntnisse auf die "Realität"
in Naturwissenschaften, natürlichen und gesellschaft-
lichen Vorgängen (... etc. ...) möglicherweise neue
Konzepte gefragt sind, die geeignet wären, anstelle
diametraler Gegensätze eine Art geistigen Pingpongs
zu ermöglichen, in dem es darum ginge, eine Ansichts-
weise stets durch eine konträre Sicht zu ergänzen
und darauf basierend zu einem übergreifenden
Standpunkt zu gelangen.
Oh je, jetzt bin ich fast schon ins Vielosofische
abgeschwiffen ...
LG , Al-Chwarizmi
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(Frage) beantwortet | Datum: | 23:29 Mo 11.08.2014 | Autor: | Tenori |
Oh wow, ich danke euch für die ausführliche Diskussion!
Im Prinzip lässt sich festhalten, dass man probiert die Zufallsgeschehen so zu modellieren, dass wenn die Wahrscheinlichkeit 0 ist, das Ereignis dann auch nicht eintreten kann. Es lässt sich jedoch nicht generell aussagen(auch nicht im diskreten Fall), dass wenn die Wahrscheinlichkeit 0 ist, dass dann auch das Ereignis nicht eintreten kann, einfach weil es von der Modellierung abhängt. Bei vernünftiger Modellierung ist dies jedoch so.
Im kontinuierlichen ist es jedoch beweisbar falsch(siehe Beispiel mit Zahlen aus [0,1] nehmen).
Ist das richtig soweit? Hätte nicht gedacht, dass die Frage so philosophisch ist, dachte da gibt es eine klare Antwort.
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> Im Prinzip lässt sich festhalten, dass man probiert die
> Zufallsgeschehen so zu modellieren, dass wenn die
> Wahrscheinlichkeit 0 ist, das Ereignis dann auch nicht
> eintreten kann.
Moment ! Das würde ich lieber so ziemlich umgekehrt
formulieren: Wenn ein gewisses Zufallsgeschehen zu
modellieren ist, so soll im Modell unmöglichen Ereig-
nissen die Wahrscheinlichkeit 0 zugeordnet werden.
LG , Al-Chw.
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 23:43 Mo 11.08.2014 | Autor: | Tenori |
Oh du hast recht, so meinte ich das, entschuldigung das habe ich etwas verdreht aufgeschrieben.
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Eigentlich war mein erster Beitrag gar nicht so ernst gemeint. Nachdem sich jetzt aber eine Diskussion über Realität, Axiomatik und mathematisches Modell ergeben hat, müssen wir vorsichtig mit den Begriffen hantieren.
Mich irritiert, daß ihr von unmöglichen Ereignissen im Plural redet, so als gäbe es da mehrere. In der Axiomatik gibt es nur ein unmögliches Ereignis, nämlich [mm]\emptyset[/mm], und für dieses ist [mm]P(\emptyset) = 0[/mm]. Jedes von [mm]\emptyset[/mm] verschiedene Ereignis [mm]A[/mm] ist also "möglich", auch wenn es die Wahrscheinlichkeit 0 besitzt. Vielleicht habt ihr "unmöglich" nicht im Sinne der Axiomatik verwendet, sondern in der Sprache des realen Zufallsexperiments. Jedenfalls rätsle ich etwas, wie ich eure letzten Beiträge zu verstehen habe.
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 00:43 Di 12.08.2014 | Autor: | Tenori |
Ja, ich habe es so verwendet, dass ich damit meinte:" Dieses Ereignis kann in der Realität eintreten". War wohl etwas uneindeutig, entschuldigung dafür.
Mein Skript sagt dazu:
Tritt A niemals ein, so setzt man P(A) = 0. Insbesondere [mm] P(\emptyset)= [/mm] 0.
Darum meinte ich, dass es von der Modellierung abhängt, da einen ja nichts davon abhält ein Ereignis, welches nicht eintreten kann, mit einer Wahrscheinlichkeit von >0 zu belegen.
Bei vernünftiger Modellierung belegt man es jedoch mit 0; per se ist Wahrscheinlichkeit von 0 jedoch nicht gleichbedeutend mit "Das Ereignis kann in der Realität nicht eintreten".
Zumindestens war dies jetzt mein abschließendes Verständnis.
Edit: Whoops, das sollte eine Mitteilung sein, kann man das irgendwie ändern?
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