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Uneigentliches Integral: Frage (beantwortet)
Status: (Frage) beantwortet Status 
Datum: 21:04 Mo 22.05.2006
Autor: Mini273

Aufgabe
Betrachte das Kurvenintegral  [mm] \integral_{ \partial R}{ \bruch{1}{z} dz}, [/mm] wobei R ein Rechteck mit den Ecken r+i, -r+i, -r-i, r-i ist, r > 0, und berechne hieraus das uneigentliche Integral  [mm] \integral_{- \infty}^{ \infty}{ \bruch{1}{1+t^{2}} dt} [/mm]

Hallo,
ich hoffe, es kann mir jemand helfen, ich weiß nicht, wie die beiden Integrale zusammenhängen. Ich hab zuerst einmal das Integral  [mm] \integral_{ \partial R}{ \bruch{1}{z} dz}, [/mm]  berechnet mit [mm] \gamma: [/mm] [0,1] [mm] \to \IC. [/mm]
Das Integral hab ich in 4 Teilintegrale aufgeteilt:
[mm] \integral_{[r+i, -r+i]}{ \bruch{1}{z} dz} [/mm] =  [mm] \integral_{\gamma}{ \bruch{1}{z} dz} [/mm] =  [mm] \integral_{0}^{1}{ f(r+i+t(-r+i-r-i)) (-2r) dt} [/mm] = -2r  [mm] \integral_{0}^{1}{ \bruch{1}{r+i-2rt} dt} [/mm] = [mm] [log(r+i-2rt)]_{0}^{1} [/mm] = log( [mm] \bruch{i-r}{r+i}) [/mm]

Stimmt das soweit?

Auf diese Weise hab ich auch die anderen 3 Teilintegrale berechnet.

[mm] \integral_{[-r+i, -r-i]}{ \bruch{1}{z} dz} [/mm] = log( [mm] \bruch{r+i}{r-i}), [/mm]
[mm] \integral_{[-r-i, r-i]}{ \bruch{1}{z} dz} [/mm] = log(-  [mm] \bruch{r-i}{r+i}), [/mm]
[mm] \integral_{[r-i, r+i]}{ \bruch{1}{z} dz} [/mm] = log( [mm] \bruch{r+i}{r-i}) [/mm]

Also ist [mm] \integral_{ \partial R}{ \bruch{1}{z} dz} [/mm] = 2 log( [mm] \bruch{i-r}{r+i}) [/mm]
+2 log( [mm] \bruch{r+i}{r-i}) [/mm]
wenn ich das vereinfache kommt: 2 log-1 heraus und das kann ja nicht sein.
Ich weiß aber nicht, wo mein fehler ist. Ich hoffe es kann mir jemand weiter helfen.
Und wenn ich   [mm] \integral_{ \partial R}{ \bruch{1}{z} dz} [/mm] berechnet habe, wie kann ich daraus das uneigentliche Integral berechnen?
Ich weiß nicht, wie die beiden Integrale zusammenhängen.

Ich bitte daher um Hilfe. Wäre echt nett.
Danke, Mini



        
Bezug
Uneigentliches Integral: Antwort
Status: (Antwort) fertig Status 
Datum: 07:17 Di 23.05.2006
Autor: Leopold_Gast

[mm]\log[/mm] ist zunächst einmal nur ein Symbol. Im Komplexen wird wegen der Mehrdeutigkeit dadurch noch keine Funktion definiert. Und in der Tat besitzt [mm]\frac{1}{z}[/mm] gar keine Stammfunktion auf ganz [mm]\mathbb{C} \setminus \{ 0 \}[/mm]. Nur über einzelnen Strecken des Integrationsweges könnte man Stammfunktionen angeben. Dann müßte man aber auch genau sagen, um welche Zweige des Logarithmus es sich handelt. So naiv rechnen kann man das jedenfalls nicht.

Am besten sollte man hier die Geschichte mit dem Logarithmus ganz lassen. In der Vorlesung hattet ihr doch sicher schon den Residuensatz, den Cauchyschen Integralsatz oder die Cauchysche Integralformel. Mit diesen Mitteln kannst du nachweisen, daß das Integral den Wert [mm]2 \pi \operatorname{i}[/mm] hat. Schau einmal in deinem Skript nach. Und dann integriere getrennt über die vier Strecken des Rechtecks. Parametrisiere so:

von [mm]r + \operatorname{i}[/mm] bis [mm]-r + \operatorname{i}[/mm]:
[mm]z = t + \operatorname{i} \, , \ \ -r \leq t \leq r \ \ \text{(negativ orientieren)}[/mm]

von [mm]-r + \operatorname{i}[/mm] bis [mm]-r - \operatorname{i}[/mm]:
[mm]z = -r + \operatorname{i}t \, , \ \ -1 \leq t \leq 1 \ \ \text{(negativ orientieren)}[/mm]

von [mm]-r - \operatorname{i}[/mm] bis [mm]r - \operatorname{i}[/mm]:
[mm]z = t - \operatorname{i} \, , \ \ -r \leq t \leq r \ \ \text{(positiv orientieren)}[/mm]

von [mm]r - \operatorname{i}[/mm] bis [mm]r + \operatorname{i}[/mm]:
[mm]z = r + \operatorname{i}t \, , \ \ -1 \leq t \leq 1 \ \ \text{(positiv orientieren)}[/mm]

Dann bekommst du

[mm]\int_{\partial{R}}~\frac{\mathrm{d}z}{z} = - \int_{-r}^r~\frac{\mathrm{d}t}{t + \operatorname{i}} - \operatorname{i} \int_{-1}^1~\frac{\mathrm{d}t}{-r + \operatorname{i}t} + \int_{-r}^r~\frac{\mathrm{d}t}{t - \operatorname{i}} + \operatorname{i} \int_{-1}^1~\frac{\mathrm{d}t}{r + \operatorname{i}t}[/mm]

Und hier kannst du rechts das erste und dritte Integral zusammenfassen. Das führt dich auf das gesuchte Integral. Das zweite und vierte Integral müssen gar nicht exakt berechnet werden. Durch eine geeignet gewählte Abschätzung kannst du nämlich zeigen, daß diese Integrale für [mm]r \to \infty[/mm] verschwinden.

Bezug
                
Bezug
Uneigentliches Integral: Frage (beantwortet)
Status: (Frage) beantwortet Status 
Datum: 22:47 Di 23.05.2006
Autor: Mini273

Hallo Leopold_Gast,
danke für deine Antwort, leider hab ich nicht alles verstanden, was du da gemacht hast. Ich hab auch noch nie was von einem Residuensatz gehört, das kam bei uns in der Vorlesung noch nie vor. Die Cauchysche Integralformel hatten wir allerdings schon: f(z) =  [mm] \bruch{1}{2 \pi i} \integral_{ \partial B_{r}(a)}{ \bruch{f(s)}{s-z} ds} [/mm]

Ich versteh aber nicht, wie man mit der Formel zeigt, dass  [mm] \integral_{ \partial R}{ \bruch{1}{z} dz} [/mm] = 2 [mm] \pi [/mm] i ist?
Kannst du mir vielleicht bitte erklären, wie man darauf kommt? Ich weiß nur, dass 2 [mm] \pi [/mm] i heraus kommt, wenn ich über [mm] \partial [/mm] E, also der Einheitskreisscheibe integriere, aber ich hab doch hier ein Rechteck!?!

Und dann hab ich noch eine andere Frage, wie kommt man auf die Parametrisierung? Ich wär da nie drauf gekommen...

Dann hast du mir folgendes angegeben:

> Dann bekommst du
>  
> [mm]\int_{\partial{R}}~\frac{\mathrm{d}z}{z} = - \int_{-r}^r~\frac{\mathrm{d}t}{t + \operatorname{i}} - \operatorname{i} \int_{-1}^1~\frac{\mathrm{d}t}{-r + \operatorname{i}t} + \int_{-r}^r~\frac{\mathrm{d}t}{t - \operatorname{i}} + \operatorname{i} \int_{-1}^1~\frac{\mathrm{d}t}{r + \operatorname{i}t}[/mm]
>  
> Und hier kannst du rechts das erste und dritte Integral
> zusammenfassen. Das führt dich auf das gesuchte Integral.
> Das zweite und vierte Integral müssen gar nicht exakt
> berechnet werden. Durch eine geeignet gewählte Abschätzung
> kannst du nämlich zeigen, daß diese Integrale für [mm]r \to \infty[/mm]
> verschwinden.

Wieso muss man denn das 2. und 4. Integral nicht berechnen? Weil die Integrale für r [mm] \to \infty [/mm] gegen 0 gehen?

Dann hab ich wie du es mir gesagt hast, das 1. und vierte Integral zusammengefasst:
[mm] \integral_{ \partial R}{ \bruch{1}{z} dz} [/mm] = [mm] \integral_{-r}^{r}{ - \bruch{1}{t+i} + \bruch{1}{t-i} dz} [/mm]
und dann kommt bei mir für das [mm] \integral_{-r}^{r}{ - \bruch{2i}{t^{2}+1} dz} [/mm] heraus und nicht der Bruch der in der Angabe steht.

Ich hoffe, du sagst mir, was ich falsch gemacht habe. Ich versteh auch nicht wie jetzt aus  [mm] \integral_{-r}^{r} [/mm] dann  [mm] \integral_{- \infty}^{\infty} [/mm] wird....

Danke nochmal für deine Hilfe,
Gruß Mini


Bezug
                        
Bezug
Uneigentliches Integral: Antwort
Status: (Antwort) fertig Status 
Datum: 22:02 Mi 24.05.2006
Autor: Leopold_Gast

1.
Wähle in der Cauchyschen Integralformel die konstante Funkton [mm]f(s) = 1[/mm] und [mm]z = 0[/mm]. Als Integrationsweg braucht man nicht unbedingt eine Kreislinie, man kann jede Kurve, die [mm]z[/mm] einmal positiv umläuft, nehmen, z.B. den positiv orientierten Rand des gegebenen Rechtecks.

2.
Man kann alle Kurven über dem Intervall [mm][0,1][/mm] parametrisieren, und beim Beweisen abstrakter Sachverhalte erleichtert dies oft die Beweisführung. Beim konkreten Rechnen ist es jedoch geschickter, wenn man eine "natürlichere" Darstellung nimmt. Und hier liegen doch die von mir gewählten Parametrisierungen wesentlich näher. Als Beispiel die Strecke, die vom Punkt [mm]r + \operatorname{i}[/mm] zum Punkt [mm]-r + \operatorname{i}[/mm] zu durchlaufen ist. Für alle Streckenpunkte ist der Imaginärteil konstant, während der Realteil zwischen [mm]r[/mm] und [mm]-r[/mm] variiert, also [mm]z = t + \operatorname{i}[/mm] mit [mm]t \in [-r,r][/mm]. Und da, wenn man jetzt von [mm]-r[/mm] (untere Grenze) bis [mm]r[/mm] (obere Grenze) integriert, die Strecke von links nach rechts statt, wie man es braucht, von rechts nach links durchlaufen wird, muß man das noch durch ein Minuszeichen vor dem Integral korrigieren.

3.
Beim Zusammenfassen des ersten und dritten Integrals entsteht tatsächlich der konstante Faktor [mm]2 \operatorname{i}[/mm], und Gott sei Dank tut er das. Da hast du in der Rechnung übrigens noch einen Vorzeichenfehler.

4.
Man sucht ja [mm]\int_{-\infty}^{\infty}~\frac{\mathrm{d}t}{1 + t^2}[/mm]. Dieses uneigentliche Integral entsteht doch, wenn man in [mm]\int_{-r}^r~\frac{\mathrm{d}t}{1 + t^2}[/mm] den Grenzübergang [mm]r \to \infty[/mm] durchführt. Also muß man sich überlegen, was mit den anderen Gliedern der Gleichung dabei passiert.
Die linke Seite ist (siehe 1.) konstant gleich [mm]2 \pi \operatorname{i}[/mm], hängt mit anderen Worten also gar nicht von [mm]r[/mm] ab. Das erste und dritte Integral rechts liefert uns, wie schon besprochen, für [mm]r \to \infty[/mm] das gesuchte Integral, noch zusätzlich mit dem Faktor [mm]2 \operatorname{i}[/mm] versehen.

5.
Und die beiden anderen Integrale verschwinden für [mm]r \to \infty[/mm]. Man zeigt das am einfachsten dadurch, daß man den Betrag nach oben durch einen von [mm]r[/mm] abhängigen Ausdruck abschätzt, der für [mm]r \to \infty[/mm] gegen 0 konvergiert. Für das zweite Integral etwa geht das so:

[mm]\left| \int_{-1}^1~\frac{\mathrm{d}t}{\operatorname{i}t - r} \right| \ \leq \ \int_{-1}^1~\frac{\mathrm{d}t}{\left| \operatorname{i}t - r \right|} \ = \ \int_{-1}^1~\frac{\mathrm{d}t}{\sqrt{t^2 + r^2}} \ \leq \ \int_{-1}^1~\frac{\mathrm{d}t}{r} \ = \ \frac{2}{r}[/mm]

6.
Und wenn man jetzt in der Gleichung [mm]r \to \infty[/mm] gehen läßt, erhält man eine Gleichung mit dem gesuchten Integral, die sich einfach nach diesem auflösen läßt. Und dann wirst du auch sehen, daß es gut war, daß bei 3. noch der Faktor [mm]2 \operatorname{i}[/mm] auftrat.

Bezug
                                
Bezug
Uneigentliches Integral: Frage (beantwortet)
Status: (Frage) beantwortet Status 
Datum: 18:50 Do 25.05.2006
Autor: Mini273

Hallo Leopold_Gast,
vielen Dank für deine ausführliche Antwort. Das ist echt sehr nett von dir! :)
Mir ist jetzt auch alles viel klarer als davor.
Ich hab nach deine Hilfe folgendes gemacht:

[mm] 2\pi [/mm] i =  [mm] \integral_{\partial R}{ \bruch{1}{z} dz} [/mm] nach der Cauchy-Integralformel

Dann ist 2 [mm] \pi [/mm] i = 2i  [mm] \integral_{-r}^{r}{ \bruch{1}{1+t^{2}} dt} [/mm]

Dann kann man doch einfach die Integrationsformel "umtaufen" in [mm] \integral_{- \infty}^{\infty}{ \bruch{1}{1+t^{2}} dt} [/mm] und erhält als Ergebnis [mm] \pi. [/mm]

ich hoffe, das stimmt so.

Viele Grüße und nochmal vielen Dank,
Mini


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Uneigentliches Integral: Antwort
Status: (Antwort) fertig Status 
Datum: 09:07 Fr 26.05.2006
Autor: Leopold_Gast

Mit den Grenzen stimmt das nicht ganz. Es muß

[mm]2 \pi \operatorname{i} = 2 \operatorname{i} \int_{- \infty}^{\infty}~\frac{\mathrm{d}t}{1+t^2}[/mm]

heißen. Die Schritte der Argumentation sind:


1. parametrisieren

[mm]\int_{\partial{R}}~\frac{\mathrm{d}z}{z} = - \int_{-r}^r~\frac{\mathrm{d}t}{t + \operatorname{i}} - \operatorname{i} \int_{-1}^1~\frac{\mathrm{d}t}{-r + \operatorname{i}t} + \int_{-r}^r~\frac{\mathrm{d}t}{t - \operatorname{i}} + \operatorname{i} \int_{-1}^1~\frac{\mathrm{d}t}{r + \operatorname{i}t}[/mm]


2. linke Seite berechnen

[mm]\int_{\partial{R}}~\frac{\mathrm{d}z}{z} = 2 \pi \operatorname{i}[/mm]


3. dies einsetzen und auf der rechten Seite Integrale zusammenfassen

[mm]2 \pi \operatorname{i} = 2 \operatorname{i} \int_{- r}^{r}~\frac{\mathrm{d}t}{1+t^2} - \operatorname{i} \int_{-1}^1~\frac{\mathrm{d}t}{-r + \operatorname{i}t} + \operatorname{i} \int_{-1}^1~\frac{\mathrm{d}t}{r + \operatorname{i}t}[/mm]


4. Grenzwerte berechnen (Details siehe 5. bei meinem vorigen Beitrag)

[mm]\lim_{r \to \infty}~\int_{-1}^1~\frac{\mathrm{d}t}{-r + \operatorname{i}t} = 0 \, , \ \ \ \lim_{r \to \infty}~\int_{-1}^1~\frac{\mathrm{d}t}{r + \operatorname{i}t} = 0[/mm]


5. in 3. den Grenzübergang [mm]r \to \infty[/mm] vornehmen

[mm]2 \pi \operatorname{i} = 2 \operatorname{i} \, \lim_{r \to \infty}~\int_{-r}^r~\frac{\mathrm{d}t}{1 + t^2}[/mm]


6. Existenz des uneigentlichen Integrals wegen Symmetrie

[mm]2 \pi \operatorname{i} = 2 \operatorname{i} \int_{- \infty}^{\infty}~\frac{\mathrm{d}t}{1 + t^2}[/mm]


7. Division durch [mm]2 \operatorname{i}[/mm]

[mm]\int_{- \infty}^{\infty}~\frac{\mathrm{d}t}{1 + t^2} = \pi[/mm]


Bemerkung zu 6.
Die Koppelung der Integrationsgrenzen ([mm]-r[/mm] und [mm]r[/mm]) ist aufzuheben, und es sind die Integrale von [mm]-r[/mm] bis [mm]0[/mm] und von [mm]0[/mm] bis [mm]r[/mm] getrennt zu untersuchen. Wegen der Symmetrie des Integranden ist das aber kein Problem.

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