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Offenbarungsglaube: Idee
Status: (Frage) beantwortet Status 
Datum: 08:41 Mi 18.11.2009
Autor: Marc_hb

Hallo liebe Forumfreunde,

Ich muss den folgenden Satz von Karl Jaspers interpretieren und zwar lautet der: "Die Offenbarung offenbart, aber so, dass sie verbirgt"

Ich würde sagen, dass der Satz so gemeint ist, dass die Gottheit aus dem Verborgenen tritt und durch Inspiration die Wahrheit mitteilt, aber in diesem Moment tauchen auch Widersprüche auf und es wird den Leuten, die es mitteilen nicht geglaubt. Und die Menschen mit Offenbarungsglaube werfen Fragen in Karl Jaspers und Verstehensprobleme auf und die Fragen darauf liegen im Verborgenen.

Ich würde mich sehr freuen, wenn mir jemand helfen könnte.

Gruß, Marc


        
Bezug
Offenbarungsglaube: Antwort
Status: (Antwort) fertig Status 
Datum: 12:09 Mi 18.11.2009
Autor: reverend

Hallo Marc,

nochmal vorweg: ich habe Jaspers nicht gelesen und mich auch sonst nicht mit ihm beschäftigt.

Der Satz ist ein typisch philosophischer, der in der Zusammenschau von Gegensätzlichem Sinn absichtlich dekonstruiert, um neuen Denkraum zu schaffen. An sich keine schlechte Idee.

Der Deutung kann ich dagegen nur begrenzt zustimmen, vielleicht, weil ich meinen so eröffneten Denkraum anders fülle. Ein paar Stichworte:
Sie offenbart, legt also offen, deckt auf, macht zugänglich - nämlich ein Etwas, den Inhalt der Offenbarung selbst. Doch ist der/die/das Offenbarende selbst ebenso verborgen wie der genaue Inhalt, der unter der Form der Offenbarung (für mich: die Schrift(en)) verdeckt liegt.

Ich weiß nicht, ob Dir das weiterhilft.
Darum, und wegen meiner eigenen Unkenntnis Jaspers, lasse ich die Frage mal auf teilweise beantwortet (bzw. teilweise unbeantwortet ;-)).

Liebe Grüße
reverend

Bezug
        
Bezug
Offenbarungsglaube: Antwort
Status: (Antwort) fertig Status 
Datum: 01:35 Do 19.11.2009
Autor: totes-Integral

Hallo Marc,

ich habe mich über diesen Sommer ein wenig in Existenzialismusliteratur um Heidegger eingelesen, wozu auch Jaspers gehört, und kann dir wenig mehr, aber vielleicht Bestimmteres als reverend sagen.

Es gibt in den Begriffen dieser Philosophen so Begriffe wie "Unverborgenheit" und "Offenbarkeit", die, glaube ich, äquivalent sind. Wass offenbar bzw. unverborgen ist, ist da, ist einfach bloß da, und dass es einfach bloß da ist, macht uns Staunen. Das ist der Punkt an dem es Existentialismus gibt, wo das blanke Sein das Ziel des Denkens ist, worum der Haifisch lange kreisen wird. Dass die Welt vor uns offen herum liegt, das was wir davon jedenfalls wahrnehmen, das ist die Offenbarkeit des Seins, und dass sie einfach da ist - ja warum? Daraus erklärt sich für einen Existenzialisten Göttlichkeit. Heidegger hat auch mal den Menschen als "offene Stelle des Seins" gesehen, als wären wir eine Kerze und, was sie erhellt, das sehen wir, das andere nicht. Was wir sehen ist offenbar.
Hat man mich bis dahin verstanden? Bis hierhin haben sich Jaspers und Heidegger sicherlich gut verstanden und dasselöbe gedacht, ich weiß nicht. Heidegger hat dann angefangen, nachdem er Hölderlin gelesen hat, ein göttliches Sein zu definieren, das er fortan mit Y als Seyn schrieb, und das andere Sein. Ist ja hier egal.
Jedenfalls, diese Offenbarung, die im Zitat stattfindet, ist etwas anderes, als dass sich etwas offenbart. Die Offenbarung ist, dass uns Gott, wenn es ihn geben sollte, bewusst werden kann, indem wir einfach feststellen, dass wir da sind. Das ist der Urbeweger, der jene Kerze angezündet hat. Das Leuchten dieser Kerze ist, dass wir über unsere Kerze stauen. Nochmal: Wenn wir eine göttliche Offenbarung bemerken, dann deshalb, weil wir bemerken können, dass wir stauen können. Das ist der Punkt, wo unsere Existenz, unser Denken reflexiv wird und nach ihrem Herkommen fragt.
Das, was im Zitat als Verb "offenbart" ausgedrückt ist, meint, dass wir über die Welt stauen - nicht "staunen können"! - ohne dabei direkt etwas Göttliches darin zu sehen. Wir befinden uns als Kerze an einer bestimmten Stelle in der Zeit, wo sich uns bestimmte Dinge geben oder auch verbergen. Ein anderes Bild, das schon bei Heraklit hineinzuinterpretieren ist, dass wir in einem Fluss schwimmen, wenn wir leben. Das ist der Strom der Zeit, wo wir nie mehr an die selbe Stelle kommen.
Darin äußert sich eben diese Schöpfung der Offenbarung: Es gibt so Dinge, die wir sehen, und Dinge, die aus unserem Blick verschwinden.

Demzufolge kommt die Gottheit aber nicht aus dem Verborgenen. Letztendlich aber schon - zur Hälfte. Wenn ich mal wieder Heidegger anführen kann: Der Mensch ist "in das Nichts hineingehalten". Das soll bedeuten, dass der Mensch auch immer von der Existenz des Unverborgenen wissen kann, er kann ein "können" denken, er weiß etwas über Modalität. So kann er auch von seiner Nicht-Existenz denken und allem drumherum, das man sich wegdenken kann. Letztendlich können wir sagen, dass wir uns einen leeren Raum denken können. Der Mensch steht immer an dieser Grenze zwischen Etwas und Nichts und aus diesem Kontrast, erkennt er eben diese Möglichkeit erst als eine Möglichkeit, zu sein, da zu sein. Und eben gerade daheraus kommt auch der Gedanke dieses Urerzeugers und auch dessen, der das "Schicksal" lenkt.
Deine Aussage widerspricht dem, indem es die Gottheit nur aus dem Verborgenen entspringen lässt und nicht aus dem Ganzen.

Dass du dann auf die Verstehensprobleme zwischen den Glaubenden eingehst, trifft das Problem aber wieder: Nicht jeder hat das gleiche von Offenbarkeit vor sich liegen und versteht deshalb auch Dinge anders. Aber diese Verstehensprobleme liegen gar nicht an Karl Jaspers, sondern in der Gottheit, die nämlich für den einen offenbart, was sie für den anderen verbirgt. Der eine kann mit Euphorie von etwas reden, was der andere gar nicht so bewertet und versteht. Die Fragen danach sind doch eigentlich nicht so verborgen wie du schreibst.

Ich hoffe, du checkst, was ich gemeint habe, und es ist dir ein bisschen dienlich.
Es gibt von Rüdiger Safranski eine Biographie über Martin Heidegger "Ein Meister aus Deutschland. Heidegger und seine Zeit.", wo die ganze Geschichte dieses Denkens gut aufgewickelt wird. Es gibt ein Glossar und eine Menge an Textpassagen, wo Jaspers eine Rolle spielt. Daher kommt auch hauptsächlich mein sporadisches Wissen.

gute Nacht!







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Offenbarungsglaube: Wow
Status: (Mitteilung) Reaktion unnötig Status 
Datum: 01:45 Do 19.11.2009
Autor: reverend

Hallo totes-integral,

danke für die ausführliche Erläuterung! Mit Heidegger habe ich mich ein bisschen befasst und hoffe, Dir folgen zu können. Der Gedankengang ist mir jedenfalls einleuchtend und erhellt mir das Zitat.

Insbesondere faszinierend finde ich die vermittelnde Qualität dieses Denken, insbesondere zwischen Gläubigen und Agnostikern oder Atheisten - denn das Staunen ist eine menschliche Urfähigkeit, auch wenn mindestens eine der drei genannten Gruppen das gerne negieren will.
Unter den Religiösen hat sich ja gerade der Islam mit seinem Ruf "allahu akbar" diese Ehrfurcht vor dem Geheimnis in besonders bodenständiger Weise zu eigen gemacht.

Das wäre nun aber ein anderes Thema.
Spannend jedenfalls. Ich hoffe auf mehr!

Liebe Grüße
reverend


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Offenbarungsglaube: Mehr?
Status: (Mitteilung) Reaktion unnötig Status 
Datum: 12:57 Fr 20.11.2009
Autor: totes-Integral

Ja reverend, es stellt sich die Frage, inwiefern du auf mehr hoffen kannst.

Es gibt zwei klassische Wege, die mir seit gestern, wo ich nicht schreiben konnte, eingefallen sind, sich dafür zu interessieren und - was das ist - irgendwie zu philosophieren.
Zum einen Bücher kann man aus Büchern so denken. Das ist der Weg, der automatisch allein und rezeptiv, ehem also passiv funktionert. Wie ein Dozent Entdeckungen vermittelt oder so und die gleichen Worte für immer gleiches dienen. Da bieten sich natürlich alle Existentialphilosophen an, die mir so einfallen: Heidegger, Sartre, Jaspers, Arendt und auch Sekundärliteratur (besonders zu empfehlen jene Biographie über Heidegger aus der Hand von Safranski).

Zum anderen gibt es so aktive Wege, die alle darauf bauen, dass man selber denkt bzw. staunt. Situationen an der Bushaltestelle, beim Essen oder sonstwann mögen einen dazu bringen (Heidegger hat ausgehend von solchen Punkten seine Themen angegangen. Beispielsweise hat er eine Vorlesung über Langeweile gehalten, die sich zwar auf 300 Seiten erstreckt, aber keineswegs so ist. Da zeigt sich das Dasein des Menschen und da zeigt sich auch der Bezug vom Sein zur Zeit. Oder über den Tod oder über Freude; letztendlich ist er zur Extase gekommen.), wobei ich jetzt nicht natürlich weiß, wo du "kommst". Jedenfalls ist das auch das Herkommen der Philosophie von Heidegger - nicht, dass der an der Bushaltestelle philosophiert hätte, aber zu seinen "Wegen" passt das irgendwie schon.

Naja, das sind die mesomeren Grenzformeln für das Philosophieren. Soetwas wie Gespräch liegt dazwischen oder auch daneben, weil es diese soziale Komponente mit einbezieht: Dann realisiert man in der Philosophie, dass auch der andere ebenso existiert, wie man selbst. Hier ist es nicht fern - wie in der obigen Bedeutung von "kommen" -, von geistiger Befruchtung oder mentalem Sex zu sprechen, ist aber bekanntlich unüblich - das zweite deutlich unüblicher als das erste.
Und auch hier gibt es diverse Abstufungen: Wenn einer gelesenes reproduziert, und mit anderen darüber diskutiert, hat es den Hang zum Lesen, wenn es eigene Thesen sind, dann ist eher die aktive Form.
Und auch die Vor- und Nachteile sind beachtlich: Lesen hat immer auch das, dass es das eigene Nachdenken negiert und insinuiert, "ja, Mann, so schlau bin ich bisher nicht gewesen.". Aktiv denken hingegen entbehrt einer Reproduktion und ist somit unserer Verstandesschwäche der Erinnerung unterworfen. Das Gespräch ist an die Formalität der Sprache gebunden und wird problematisch, wenn es um dieses heikle, "abgründiege" Denken von Heidegger geht. Deshalb ist seine Sprache auch auf ihre Weise deformiert, wie es bei den Phänomenologen, von denen Heidegger kommt, üblich war (vide Edmund Husserl).

Es steht die Frage, was du willst. Wenn du kommunizieren willst, kann ich hier bequem PN und dann eMail vorschlagen, wenn du viel mehr aus Büchern hören willst, dann bin ich nicht viel länger als bis hierher  kompetent (den Großteil habe ich anscheinend schon vergessen und ob meine Reproduktion der Texte nun so sinnvoll ist? Über Texte sprechen kann ich aber.), wenn du denken willst, dann geh an den Ort deiner Wahl - Inspiration!



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