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Karl Jaspers: Frage mit Bitte um Diskussion
Status: (Frage) beantwortet Status 
Datum: 18:13 Do 03.02.2005
Autor: Zwerglein

Hallo, Philosophie-Forum,

angeregt durch Hinweise aus dem Forum traue ich mich, interessierter Laie und Autodidakt, hier eine Frage zu stellen, die mich seit Jahren bereits umtreibt:
Warum ist ein integrer, bewunderungswürdiger Mensch wie Karl Jaspers, m. E. einer der größten Denker des 20. Jahrhunderts und Mitbegründer einer auch für die heutige Zeit so wichtigen Philosophie, wie es die Existenzphilosophie (bitte, bitte: nicht verwechseln mit Existentialismus!)wiederum meiner Meinung nach ist, heute fast vergessen, wohingegen ein Mann wie Heidegger fast eine "Renaissance" erlebt?

Nochmals: Ich bin totaler Laie und Autodidakt.
Mein Minimal-Wissen über Jaspers (und andere Philosophen, u.a. eben Heidegger, aber auch Hannah Arendt, Kierkegaard, Bergson, Novalis (!), Teilhard de Chardin,  - um nur einige zu nennen) habe ich mir angelesen,
teilweise durch Veröffentlichungen der Philosophen selbst (bei Jaspers: Die großen Philosophen; Vernunft und Existenz; Der philosophische Glaube; Freiheit und Wiedervereinigung), aber auch über Schriften anderer Denker (Hans Saner, rororo-Bildmonographie, Hannah Arendt: Was ist Existenzphilosophie?, Jeanne Hersch: Karl Jaspers, etc.).
Kurz meine persönliche "Empfindung" zu Karl Jaspers (übrigens nebenbei der Grund für mein Interesse an der Philosophie):
(Viele Formulierungen stammen letztlich aus dem Buch von Hans Saner!)
Er (wie in aller Bescheidenheit auch ich) liebt den Menschen. Denn: Vom Menschen her und "für" den Menschen kann nur der philosophieren, wer sich selber um den Menschen sorgt, ja wer ihn liebt.

Und dass man sich um den Menschen sorgen muss, war Jaspers schon vor 50 Jahren klar: Der Mensch ist gefährdet vor allem durch das, was das Typische unseres Zeitalters ist: Technik und Massendasein, Hektik und Ruhelosigkeit, die wachsende Inhumanität der Lebensverhältnisse.

Ich will und kann hier nicht ausführlich auf Jaspers' Existenzphilosophie eingehen. Nur soviel: Wesentlich für die "Existenz" im eigentlichen Sinn,  für die Realisierung seiner existentiellen Erfahrung eines Menschen, ist das Erleben von Grenzsituationen. So wird z.B. durch das "Vorherwissen" des eigenen Todes  dieser zum eigentlichen Prüfstein des Übergangs vom bloßen Dasein zur Existenz: Nur, was angesichts des Todes wesentlich ist, gehört zur Existenz, alles andere bleibt nur dem Dasein verhaftet.
Jaspers erkannte aber auch, dass "Kommunikation" wichtig ist. ...

Wer Jaspers liest, aber auch das sehr dünne Büchlein "Was ist Existenzphilosophie" von Hannah Arendt (dass sie mit Heidegger eng verbunden war, ist kein Widerspruch!) zur Existenzphilosophie oder eben Karl Saner, der wird mir - glaube ich oder hoffe ich - Recht geben:
Die Zeit der Existenzphilosophie vor allem Jaspersscher Prägung darf nicht vorbei sein!  

        
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Karl Jaspers: Antwort
Status: (Antwort) fertig Status 
Datum: 18:08 Fr 04.02.2005
Autor: Stefan

Hallo Zerglein!

Zunächst einmal möchte ich feststellen, dass auch ich nur Laie bin. Ich bin Diplom-Mathematiker, promoviere jetzt in Mathematik, habe zudem neben meinem Mathestudium mein Lehramtsstudium in Chemie (bis auf das Examen selbst) durchgezogen und nur nebenbei ein bisschen Philosophie studiert. D.h. ich habe das Grundstudium absolviert, mich dabei aber vor allem auf Kant, Platon und elementare Logik [saumuede] konzentriert.

Von Jaspers und Heidegger habe ich nur wenig, und zudem nur angelesene Ahnung. Jedoch weiß ich, dass es an Jaspers, der unbestritten zu den großen Philosophen der Neuzeit zählt, auch eine Menge Kritik gibt. Denn meines Wissens nach wird gerade die nach Wahrheit strebende, rationalistische Kraft des Menschen, die sich durch Kommunikation erst entfaltet, als teilweise etwas naiv angesehen. Nach dem Motto "die Selbsterfüllung und Durchsetzung der durch rationale, große Gedanken und Kommunikation erlangten Wahrheit", die einmal erlangt, nie mehr wieder verloren gehen kann ("Verstehen ist unwiderstehlich"), ignoriert, so meine ich, politische, kulturelle und gesellschaftliche Sachzwänge und Besonderheiten einer jeweiligen Zeit und hat ein zu menschenfreundliches, rationales Weltbild als Grundlage. Seine politische Ethik, das "Überpolitische", hatte großen Einfluss, aber seine darauffolgende Politik-, Parteien- und Zeitkritik wird meines Wissens zum Teil als sehr skeptisch betrachtet.

Wie gesagt, das glaube ich so im Hinterkopf zu haben. Vielleicht kannst du dich dazu ja mal äußern. Wenn ich mich falsch erinnere und Blödsinn schreibe, kannst du das gerne auch entsprechend kommentieren. Wie gesagt, ich bin selber nur Laie und weiß sicherlich viel, viel weniger als du zu Jaspers, aber du wolltest ja eine Diskussion, also gebe ich mal mein Halbwissen zum Besten. :-)

Liebe Grüße
Stefan



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Karl Jaspers: Rückmeldung
Status: (Mitteilung) Reaktion unnötig Status 
Datum: 18:58 Fr 04.02.2005
Autor: Zwerglein

Hallo, Stefan,
finde ich gut, dass Du auf meine Frage antwortest.
(Besonders interessant: Wenn Du mal schaust, auf welche Fragen ich im Forum eingehe, wirst Du bemerken: Mathematik und Chemie!)

Und natürlich habe ich nicht erwartet - wäre ja gar keine Frage wert gewesen - dass hier nur Menschen mitdiskutieren, die mir Recht geben: wie langweilig!
Selbstverständlich ist Jaspers ein Mensch mit Ecken und Kanten gewesen, ein "pflegeleichter Typ" würde mir auch nichts sagen! (Der von mir ebenfalls sehr hoch geschätzte heilige Augustin ist ein Extrembeispiel für eine zugleich verehrungswürdige wie teilweise abzulehnende  Persönlichkeit: Das macht einen "echten" Menschen aus, macht ihn vielleicht erst glaubwürdig!)
Nun zu Deiner Aussage, dass "die nach Wahrheit strebende, rationalistische Kraft (...) als etwas naiv angesehen" wird:
Wäre interessant für mich, wo Du diese Information her hast!
Abgesehen davon ist für mich "Naivität" nicht gleichbedeutend mit Leichtgläubigkeit oder etwas Ähnlichem, sondern manchmal sogar positiv!
Und wer Geschichte im "richtigen Maß" (schwer auszudrücken!) in sein Leben integriert, der bemerkt sowieso irgendwann, dass nicht alles "gleich wichtig" ist.
Natürlich ist es schwierig, sein Leben auch (aber nicht nur!!) unter dem Gesichtspunkt "Sub spezie aeternis" auszurichten, aber ein Materialismus z.B. in der Ausprägung von Paul Feierabend oder eine populistische und nur darum provozierende Philosophie im Sinne eines  Sloterdijk will in mein Leben nicht so recht passen!
Da hat mir Jaspers mit seiner Existenzphilosophie schon wesentlich mehr geholfen, vor allem auch deshalb, weil ich "Grenzsituationen" schon 2, 3 mal erlebt habe und sie - so hoffe ich - im Hinblick auf - ich sage mal hochgestochen - "das Wesentliche" - zu meinem Nutzen (wie hört sich das an!) zum Nutzen auch all' derer, die ich mag, mir nahestehen und auch derer, die ich manchmal etwas weniger mag, "umzusetzen" versuche.

mfG!
Zwerglein

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Karl Jaspers: Mitteilung
Status: (Mitteilung) Reaktion unnötig Status 
Datum: 19:33 Fr 04.02.2005
Autor: Stefan

Hallo Zwerglein!

Wer sagt, dass das alles meine Meinung war? ;-) Die war es nur zum Teil, das meiste habe ich einfach nur aus dem Kopf als Kritikpunkte anderer erwähnt.

Ich selber kenne Jaspers doch viel zu wenig um ihn ernsthaft zu kritisieren!! Im Gegenteil stimme ich mit dem, was ich von ihm kenne, weitesgehend überein, bis auf die genannten Kritikpunkte einer gewissen Nichtberücksichtigung kultureller und gesellschaftllich zwanghafter Hintergründe, gerade in seiner doch recht radikalen Beurteilung einer Einzelschuld in der NS-Zeit (die man aber durchaus so vertreten kann, ich bin mir da selber unschlüssig).

Die Existenzphilosophie, der Mensch als "Grenzsituationsphilosoph", beeindruckt mich auch sehr, nicht nur, weil ich selber gerade davon betroffen bin. Mein Vater hatte vor drei Tagen einen schweren Verkehrsunfall, bei dem er fast um's Leben gekommen wäre, und ich merke an seinen Worten jetzt, dass er auch in diesem Moment und seitdem philosophischer denkt.

Also, ich stimme dir in deiner Bewunderung, soweit ich die Werke beurteilen kann, weitesgehend zu! :-) Allerdings ist mein philosophisches Vorbild, wenn ich das hochtrabend so sagen darf, auf jeden Fall Immanuel Kant.

Liebe Grüße
Stefan

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Karl Jaspers: Mitteilung
Status: (Mitteilung) Reaktion unnötig Status 
Datum: 22:53 So 06.02.2005
Autor: Zwerglein

Hallo, Stefan,

im Grunde geht es mir ja primär darum, dass
a) einerseits die Menschen für mein Gefühl etwas schnell vergessen.
Dies ist ja nicht nur bei Heidegger zu beobachten, sondern noch bei weit extremeren Beispielen!
und
b) dass auch die heutigen Menschen Vorbilder benötigen. (Wie soll man sich den manchmal schon ein wenig absurd wirkenden "Starkult" sonst erklären?)

Meines Erachtens sollten dann aber Menschen, die wirklich glaubwürdig sind und Werte vertreten, die nachprüfbar dem Leben des Einzelnen helfen können - natürlich Kant, sicher auch Naturwissenschaftler wie Heisenberg (bei Einstein bin ich mir noch nicht ganz sicher), aber auch Politiker wie Richard von Weizäcker, um nur einige zu nennen, im öffentlichen Leben (vor allem durch die Medien, die ja viel zu unserer Meinungsbildung beitragen) viel breiteren Raum bekommen!

mfG!
Zwerglein

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Karl Jaspers: Mitteilung
Status: (Mitteilung) Reaktion unnötig Status 
Datum: 08:51 Mi 09.02.2005
Autor: Stefan

Hallo Zerglein!

> im Grunde geht es mir ja primär darum, dass
>  a) einerseits die Menschen für mein Gefühl etwas schnell
> vergessen.
>  Dies ist ja nicht nur bei Heidegger zu beobachten, sondern
> noch bei weit extremeren Beispielen!
>  und
>  b) dass auch die heutigen Menschen Vorbilder benötigen.
> (Wie soll man sich den manchmal schon ein wenig absurd
> wirkenden "Starkult" sonst erklären?)

In beiden Fällen stimme ich dir vorbehaltlos zu. Ganz meine Meinung! :-)

> Meines Erachtens sollten dann aber Menschen, die wirklich
> glaubwürdig sind und Werte vertreten, die nachprüfbar dem
> Leben des Einzelnen helfen können - natürlich Kant, sicher
> auch Naturwissenschaftler wie Heisenberg (bei Einstein bin
> ich mir noch nicht ganz sicher), aber auch Politiker wie
> Richard von Weizäcker, um nur einige zu nennen,

Kant [ok], Heisenberg [ok], aber warum von Weizsäcker??? Ich finde ihn ganz sympathisch, aber warum ist er für dich ein so großes Vorbild?

Ansonsten: [ok], bin d'accord!

Liebe Grüße
Stefan

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