Haut- und Wunddesinfektion < Chemie < Naturwiss. < Vorhilfe
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(Frage) beantwortet | Datum: | 19:44 Do 05.07.2012 | Autor: | Giraffe |
Aufgabe | Hallo,
es geht um etwas ganz Praktisches für den Hausgebrauch.
Ich habe bislang bei blutenden Verletzungen Isophrophylalkohol von Hetterich benutzt. Das brennt kurz wie "sau", aber nach 2 Atemzügen ist alles gut. Da das Zeug nun alle ist u. es doch immer gut ist sowas im Kühlschrank zu haben, um Entzündungen vorzubeugen, bin ich heute in die Apotheke.
Der Tierarzt benutzt Wasserstoffperoxid. Das kommt für mich nicht in Frage, weil man es vorher anmischen muss (Tabl. auflösen) u. sein Haltbarkeitsdatum ist auch im Vgl. zu alkoholhaltigen Mitteln stark begrenzt.
Zur Diskussion standen nur noch Betaisadonna u. Jod-Tinktur.
Von den Jod-Präparaten riet mir die Apothekenverkäuferin ab: "Davon ist man heute weg, das war früher, viel besser ist da Betaidadonna."
Das war auch allerdings das teuerste: 100 ml € 11,51
Als ich dann hörte, dass Isoprophylalkohol 100 ml nur 3,25 kostet - habe ich das genommen.
Um dann danach in der Packungsbeilage zu lesen, dass es nicht für offene Wunden geeignet ist, sondern nur zur Hautdesinfektion.
Der Unterschied der Wörter ist mir schon klar (Hautdesinfektion benutzt die Arzthelferin bevor sie die Nadel in die Armbeuge sticht. Wunddesinfektion wird auf offene Wunden aufgetragen). |
Ich hätte gern gewusst, warum man Isoprpohylalkohol nicht auf offene Wunden tun sollte.
Weils brennt? Dann kann ich es ohne weiteres benutzen.
Oder ist da was in der Wirkung anders?
Mal überlegt: Bei einem normalen hygienebewussten Menschen ist die Hautoberfläche sicher nicht so verschmutzt, als wenn ich auf den Asphalt stürze, genau da, wo vllt jmd. langgelaufen ist, der zuvor in Hundekacke gelascht ist. Nun ist nicht auszuschließen, dass ich Kotpartikel auf meiner Schürfwunde habe.
Also killt Wunddesinfektion mehr "Bösewichte" als Hautdesinfektion?
Eigentl. wollte ich den pharmazeutischen Hersteller fragen, aber von euch bekomme ich eine unabhängige Antw. u. keine werbende.
Vielen DANK
mfg
Sabine
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Hallo Giraffe,
ich zitiere aus einem Büchlein des Deutschen Roten Kreuzes zur Ersten Hilfe, aus dem Jahr 1997 - da hatte ich meinen letzten 1. Hilfe Kurs gemacht:
Grundsätze der Wundversorgung:
- Wunden dürfen Sie nicht mit Ihren Händen berühren, da die Wunde dadurch zusätzlich verunreinigt und infiziert würde.
- Bei der Wundversorgung sollten Sie zum eigenen Schutz und zum Schutz des Betroffenen vor Infektionen Handschuhe tragen.
- Wunden dürfen Sie nicht auswaschen oder reinigen (Beachten Sie aber Ausnahmen wie, z.B. die Wasseranwendung bei Verbrennungen und Verätzungen).
- Wunden dürfen Sie ohne ärztliche Anweisung nicht mit Puder, Salben oder Sprays oder Desinfektionsmitteln behandeln.
- Fremdkörper belassen Sie in der Wunde, sie müssen vom Arzt entfernt werden.
(Hervorhebungen von mir.)
Wundversorgung
Jede Wunde soll wegen der zusätzlichen Infektionsgefahr mit keimfreiem (sterilem) Verbandmaterial verbunden werden.
Ein sachgerechter Verband besteht aus zwei Teilen:
- einer keimfreien Auflage
und dem
- Befestigungsmaterial (Heftpflaster, Mullbinde, Dreiecktuch usw.)
Die beschriebenen Verbandstoffe befinden sich u. a. im Kfz-Verbandkasten und sollten in jedem Haushalt vorhanden sein.
weitere Stichwörter:
- Tetanusinfektion: Einzige Vorbeugemaßnahme ist die Schutzimpfung.
- Tollwut:
präexponentiell: Tierärzte, Jäger, Forstpersonal u. ä. Risikogruppen; Personal in Laboratorien mit Tollwutrisiko: i.m-. Impfung an den Tagen 0,7,21. Bei weiter bestehndem Expositionsrisiko jährliche Auffrischung.
postexponentiell: abhängig von der Art der Exposition (Berührung, Biß) und Impfstatus evtl. Impfung und simultane passive Immunisierung mit Tollwut-Hyperimmunglobulin.
Intakte Hautoberfläche kann man mit 70%igen Isopropanol desinfizieren. 100%iges gibt's auch in Baumärkten oder Farben/Lacken-Geschäften. Auf Wunden aufgetragen zerstört es die oberen Zellschichten.
3%iges Wasserstoffperoxid müsste auch gehen zur Hautdesinfektion- gibt's fertig in Apotheken. Wasserstoffperoxid ist eine Flüssigkeit - gibt's auch in Baumärkten etc mit 30%. Der Feststoff ist ein Addukt von Wasserstoffperoxid an Harnstoff; gibt's als Tabletten zum Auflösen in Wasser.
Beta-Isadonna ist das gleiche wie Iodtinktur - nur, dass die Konzentration des freien Iodes durch Komplexbildung (vermutl.: Chelate) auf einem geringeren aber noch wirksamen Niveau gehalten wird. Wird u. a. im Operationssälen zur Desinfektion der Haut vor chirurgischen Eingriffen aufgetragen.
Ohne Werbungsabsichten - es gibt da Bacillol plus zu kaufen (z.B. über Amazon): besteht aus Propanol-1, Isopropanol & Glutaraldehyd.
Wird in Krankenhäusern & Altenheimen verwendet um Inventar zu desinfizieren.
Vor 30 Jahren, während meines Zivildienstes in einem Altenheim mit Pflegestation, hatte ich damit u. a. Pflegebetten von verstorbenen Bewohnern im Keller abgesprüht & abgewischt.
Vor einigen Monaten hatte ich einen Liter gekauft, für meine Schwester, welche Pilze in der Dusche hatte.
Als Alternative gibt's noch für den Haushalt: Sagrotan (93,3 % Ethanol & etwas Benzalkoniumchlorid - ein quarternäre Ammoniumverbindung, 50 mg in 100 g Lösung.) - ohne Werbungsabsichten.
LG, Martinius
P.S.: Du wohnst doch in Hamburg. Melde Dich doch einmal für den nächsten Erste-Hilfe-Kurs an.
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 23:21 Do 05.07.2012 | Autor: | reverend |
Hallo Sabine,
ich würde am Körper nie die gleichen Desinfektionsmittel verwenden, die ich z.B. auf festen Oberflächen anwenden könnte. Die meisten verursachen zumindest temporär biologische Schäden. Das "Brennen" bei Desinfektion mit Alkohol ist die Warnwahrnehmung des Körpers auf solche Schäden. Du tötest damit nicht nur Keime, sondern auch Teile des lebendigen Gewebes ab. Auf unverletzter Haut mag das für eine schwach dosierte Einzelanwendung noch ungefährlich sein, sonst aber nie.
Für offene Wunden (und auch sonst) nehme ich normalerweise Merfen orange; gut sind auch Braunol oder Betadine - in jedem Fall aber ein Desinfektionsmittel in körperverträglich verdünnter wässriger Lösung, das trotzdem v.a. bakterielle Keime angreift.
Bei blutenden Wunden ist das meistens noch nicht einmal notwendig, da die Keime vom Blut nach außen transportiert werden und der Körper durch den sich bildenden Schorf normalerweise genügend geschützt wird. Eine übertriebene Anwendung von Desinfektionsmitteln schadet normalerweise mehr, als dass sie nützt.
Verschorfte, nässende Wunden sollten aber desinfiziert und evtl. mit Dexpanthenol-haltiger Salbe versorgt sowie möglichst antiseptisch abgedeckt werden.
Grüße
reverend
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